Pressemitteilung


11.7.2025-23.11.2025
Mittwoch, 9.7.2025, 11 Uhr
Eroeffnung: Donnerstag, 10.7.2025, 19 Uhr

Ausstellung

Plants_Intelligence

Sabian Baumann, Ursula Damm, Kyriaki Goni, Ingela Ihrman, Jochen Lempert (eingeladen von Christiane Meyer-Stoll), Julia Mensch, Una Szeemann, Zheng Bo

Plants_Intelligence im Atrium des Kunstvereins schließt an Ștefan Bertalans radikale Wertschätzung von Pflanzen und seine wissenschaftlich-künstlerische Suche nach artenübergreifenden Beziehungen an. Wie gehen Künstler:innen heute mit unserer Abhängigkeit von, Verwandtschaft mit und Liebe zu Pflanzen um? Wo sind die Schnittstellen? Wie begreifen und gestalten sie vegetabile Handlungsmacht und Intelligenz?

Alle gezeigten zeitgenössischen künstlerischen Positionen verstehen Pflanzen als handlungsmächtige Wesen, als Gefährten und Verwandte der Menschen und machen dies anhand unterschiedlicher künstlerischer Methoden deutlich. Über Jahrtausende (wenn nicht Jahrmillionen) miteinander gewachsen, sind die Beziehungen zwischen Menschen und Pflanzen alt und eng (sogar gewisse Gene und Botenstoffe sind sich ähnlich). Aber in unserer vorherrschenden Kultur zählt das alles nichts: Zumeist übersehen, sollen sie uns nur Nahrung, Kleider, Treibstoff oder Dekor liefern – und ansonsten nicht weiter auffallen. Doch Pflanzen sind intelligente Wesen: Sie haben Wünsche und Intentionen, kommunizieren und agieren, sind flexibel und lösen Probleme. Eingebettet in spezifische Orte scannen sie unaufhörlich ihre Umgebung. Sie können zwar nicht davonlaufen, wenn Dinge für sie suboptimal werden, aber sie passen ihre Form den sich ändernden Gegebenheiten an. Kurzum, Pflanzen versuchen zu gedeihen und setzen dafür diverse gestalterische Mittel ein. Sie sind Gestalter. Aber auch Schwellenwesen, Energiewandler, Transformer: vollkommen erdverbunden, ragen sie gleichzeitig in den Äther hinein und verwandeln volatile Stoffe in Nahrung.

Die in der Ausstellung versammelten Künstler:innen interessieren sich für Pflanzen und ihre Strategien und setzen sie in einen übergreifenden Kontext. Damit ist auch das Ziel dieses Projektes benannt: Mit der Behauptung, dass Pflanzen aktive und intelligente Gestalter ihrer Existenzweisen sind, wird für die Anerkennung anderer, mehr-als-menschlicher Formen von Existenz plädiert. Es wird gezeigt, dass Kunst eine wichtige Rolle in diesem Prozess spielt: Schon das regelmäßige und genaue Beobachten und Übersetzen bestimmter Pflanzen und ihrer Zusammenhänge via Zeichnung, Video, Malerei, Skulptur, etc. kann unsere Sensibilität ökologisieren und die Wichtigkeit der beobachteten Wesen anzeigen. Die ausgewählten Arbeiten kreisen um mögliche Schnittstellen, gemeinsame Schwerpunkte und Methoden mit Ștefan Bertalan, wie beispielsweise das körperliche Eintauchen gepaart mit wissenschaftlichem Observieren (von Amaranth: Julia Mensch), rechnerisches Experimentieren mit (Ausbreitungs)Mustern (von Flechten: Ursula Damm), Verqueerungen kategorialer Hierarchien (Sabian Baumann), psychologisch-spirituelles Transformieren materiell-atmosphärischer Körper (Una Szeemann) sowie die Weise, wie pflanzliche Körper Raum bilden (in direkte Anlehnung an eine Zeichnung von Ștefan Bertalan: Jochen Lempert).

Darüber hinaus versucht Plants_Intelligence aber auch zentrale, durch den Neoliberalismus enteignete Lebensaspekte wie Aufmerksamkeit, Wachstum, Flexibilität, Intelligenz oder Lernen zurückzuerobern und als grundlegende Merkmale relationalen Seins erfahrbar zu machen. Diese vielschichtigen Fragestellungen werden nicht nur in der Ausstellung, sondern auch mit weiteren Gästen in einem Veranstaltungsprogramm vertieft.

Ștefan Bertalans offener transmedialer Umgang mit Pflanzen, oder besser gesagt, mit der spezifischen Seinsweise von Pflanzen, kann aus heutiger Perspektive als ein Beispiel für die Einmischung der Kunst in Diskurse um die Intelligenz der „Natur“ – die Intelligenz von Pflanzen – interpretiert werden. Sein beobachtender, (nach)zeichnender, (unter)suchender, experimenteller, den Pflanzen sich ausliefernder, sie sich anverwandelnder Umgang ist noch heute wegweisend und relevant: Er wird weiterverfolgt, weiterentwickelt, anders gemacht. Neben mathematisch-rechnerischen Annäherungen, die, wenn sie Pflanzen auch nicht verstehen, dann doch zumindest zu verstehen suchen, gibt es solche, die sich unverblümt mit ihnen verwandtschaftlichen, verbinden und verbünden. So hat sich auch Bertalan diesen Wesen nicht nur durch Observieren, Berechnen und Nach-Zeichnen angenähert, sondern er wollte in eine Resonanz mit ihnen kommen, sich austauschen, in einem spirituellen Sinn die Pflanzen verstehen: um schließlich in einem Akt gesellschaftlicher Isolation und persönlicher Radikalisierung selbst zur Pflanze zu werden und durch die Inklusion unserer Gefährt:innen lebendig zu bleiben.


Kuratiert von Yvonne Volkart und Anja Casser

Ausstellung und Veranstaltungsprogramm sind eine Kooperation zwischen dem Badischen Kunstverein Karlsruhe und dem von Yvonne Volkart initiierten und geleiteten Forschungsprojekt Plants_Intelligence. Learning Like a Plant (2021–25), das am Institut Kunst Gender Natur der Hochschule für Gestaltung und Kunst Basel FHNW verortet und vom Schweizerischen Nationalfonds finanziert ist.

 

Für weiteres Informations- und Bildmaterial wenden Sie sich bitte an
presse@badischer-kunstverein.de oder rufen Sie uns an unter 0721 28226.

28.2.2025 - 15.6.2025
Mittwoch, 26.2.2025, 11 Uhr
Eroeffnung: Donnerstag, 27.2.2025, 19 Uhr

Ausstellung

Lenora de Barros

To See Aloud

Der Badische Kunstverein präsentiert die Arbeiten der Dichterin und Künstlerin Lenora de Barros (*1953, São Paulo) in einer ersten umfangreichen Einzelausstellung in Deutschland. To See Aloud umfasst verschiedene Facetten ihrer künstlerischen Praxis – von frühen Textarbeiten, Videotext-Gedichten, Publikationen und Druckerzeugnissen über Fotografien, Objekte, Objektgedichte und Installationen bis hin zu ihren jüngsten Performances und Kunstwerken im öffentlichen Raum, einschließlich soundbasierter und kollektiver Aktivierungen. De Barros erweitert unser Verständnis und unsere Erfahrung von Sprache, indem sie den Ansatz des „Verbivocovisual“ ins 21. Jahrhundert überträgt. „Verbivocovisual“ ist ein Neologismus, der von James Joyce geprägt und später von der Konkreten Poesie verwendet wurde. Lenora de Barros bezeichnet den Begriff als Leitmotiv ihrer Arbeit, indem sie das Zusammenspiel zwischen dem Verbalen, Vokalen und Visuellen auf verschiedenen Ebenen auslotet und dabei jegliche Hierarchie oder Einschränkung unterwandert. „Ich habe mich buchstäblich dazu entschieden, aus dem Raum der Seite herauszugehen, um in den freien Raum aufzubrechen“ (de Barros, 2018).

So ist auch die Ausstellung als ein Netzwerk verschiedener thematischer Räume konzipiert (Bibliothek, Kaleidoskop, Labyrinth oder Radiostation), die zu einer multisensorischen, non-linearen und partizipativen Erfahrung einladen und die Grenzen zwischen Kunst und Poesie auflösen. To See Aloud zeigt eine Vielzahl von Werken aus den 1970er Jahren bis heute, darunter so zentrale Arbeiten wie Poema (Poem) von 1979 – fotografiert von Fabiana de Barros – , als eine Liebesgeschichte zwischen der Sprache und der Zunge, oder ONDE SE VÊ (Where you can see) von 1982 mit visuellen Gedichten in Form von frühen Videotexten. Die Videotexte werden zum ersten Mal in ihrer ursprünglichen Technik reaktiviert. Mínimo Som Mínimo (minimum sound) verkörpert den Versuch, sich durch die Wiederholung eines Fragments, eines Klangsplitters, einem Ur-Ton zu nähern und wurde 1983 als visuelles Gedicht sowie später als Soundperformance realisiert. Ping-Poema ist der Titel einer Serie von Arbeiten aus Objektgedichten, Soundinstallationen und Fotoperformances der 1990er Jahre, in denen der Tischtennisball zum Träger und Sound-Interpreten von Texten wird. Spätere Arbeiten beziehen andere Elemente des Spiels wie Schläger und Platten mit ein und treten so in einen Dialog mit dem russischen Konstruktivismus. Die Foto- und Videoperformance NÃO QUERO NEM VER (I DON’T WANT TO SEE NOTHING, 2005) ist eine Annäherung an die weibliche Subjektivität und setzt sich zugleich kritisch mit stereotypen weiblichen Tätigkeiten wie dem Stricken auseinander. Der Bibliotheksbereich der Ausstellung enthält Publikationen und Texte von Lenora de Barros sowie seltene Drucksachen und Kataloge zum Kontext der brasilianischen Konkreten Poesie mit der Gruppe Noigandres als wegweisendem Kollektiv, das auch de Barros’ künstlerische Praxis frühzeitig beeinflusste – neben weiteren konkreten und intermedialen Künstler:innen aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Lenora de Barros’ Interesse gilt dem Zusammenspiel verschiedener Sprachen, insbesondere ihrer verbalen, visuellen und akustischen Elemente, die sich gegenseitig bereichern und spielerische, aber auch radikale und engagierte Reflexionen über Körper, Geschlecht und soziale Fragen anstoßen. Es entstehen neue Formen von Sprache, die ein vielfältiges Universum an Bedeutungen hervorbringen.

Kuratiert von Alex Balgiu und Anja Casser

Lenora de Barros (*1953) lebt und arbeitet in São Paulo, BR. Nach einem Studium der Linguistik an der Universidade de São Paulo begann sie ihre künstlerische Praxis in den 1970er Jahren. Ihre frühen Arbeiten lassen sich der Visuellen Poesie zuordnen, die mit der Bewegung der Konkreten Poesie der 1950er Jahre verbunden ist. 1975 war sie Mitherausgeberin der einmalig erscheinenden Kunst- und Poesiepublikation Poesia em greve (Poetry on Strike), 1983 wurde ihre erste Publikation ONDE SE VÊ (Where you can see) veröffentlicht (Klaxon, São Paulo). Von 1993 bis 1996 schrieb de Barros die wöchentliche Kolumne Umas (Some) für das Jornal da Tarde in São Paulo. Lenora de Barros hat eine Poesie entwickelt, die sich durch die Verwendung verschiedener Sprachen auszeichnet: Video, Performance, Fotografie, Klanginstallation und Objekte.
Zu Lenora de Barros wichtigsten Gruppen- und Einzelausstellungen gehören u.a. die 59. Biennale von Venedig - The Milk of Dreams, IT (2022); Não Vejo a Hora, Gomide&Co Gallery, São Paulo, BR (2023); Minha Língua, Pinacoteca do Estado de São Paulo, BR (2022); RETROMEMÓRIA, MAM-SP - Museu de Arte Moderna de São Paulo, BR (2022); Tools for Utopia. Selected Works from the Daros Latinamerica Collection, Kunstmuseum Bern, CH (2020); Radical Women: Latin American Art, 1960-1985, Hammer Museum, Los Angeles, USA (2017), Brooklyn Museum, New York, USA (2018) und Pinacoteca do Estado de São Paulo, BR (2018); ISSOÉOSSODISSO, Oficina Cultural Oswald de Andrade, São Paulo, BR (2016); die 4. Thessaloniki Biennale für zeitgenössische Kunst, GR (2013); die 11. Lyon Biennale, FR (2011) sowie die 17., 24. und 30. Biennale von São Paulo, BR (1983, 1998 und 2012).
Arbeiten der Künstlerin befinden sich in bedeutenden internationalen Sammlungen, darunter: Hammer Museum, Los Angeles, USA; MACBA - Museo de Arte Contemporáneo de Barcelona, ES; Daros Latinamerica Collection, Zürich, CH; Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía, Madrid, ES; MAM-SP und Pinacoteca do Estado de São Paulo, BR.

Die Ausstellung wird gefördert durch das MWK – Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst.

Ausstellungsansicht, Lenora de Barros: To See Aloud, Badischer Kunstverein, Karlsruhe 2025. Foto Felix Gruenschloss

Ausstellungsansicht, Lenora de Barros: To See Aloud, Badischer Kunstverein, Karlsruhe 2025. Foto Felix Gruenschloss


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