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21.04.-19.06.2011
Eröffnung: Mittwoch, 20. April 2011, 19 Uhr

Ausstellung

A Different Person


Ausstellungsansicht, A Different Person, Badischer Kunstverein, 2011
Foto: Stephan Baumann, bild_raum

Enrico David, Nick Mauss, Birgit Megerle, Michele Di Menna, Josef Strau, Emily Wardill

Die Ausstellung A Different Person verfolgt die Idee einer Gruppenausstellung als dynamischen Prozess. So fungieren die Arbeiten weniger als Argument einer These, sondern entwickeln die Dramaturgie der Ausstellung aus sich selbst und dem Dialog mit den jeweils anderen Positionen heraus.
Der Titel der Ausstellung ist den Memoiren des amerikanischen Schriftstellers James Ingram Merrill entlehnt. Indem Merrill seine Memoiren mit „Eine andere Person“ überschreibt, verweist er auf den Entwurfscharakter von Subjektivität: Das Ich trägt immer auch einen Anderen als Projektion und Potenzialität in sich, bleibt Fragment und Provisorium. Diese Erprobung von Subjektivität als labiles und temporäres Konstrukt, das sich selbst auch immer fremd ist, bildet ein zentrales Moment der Ausstellung.

So basieren Birgit Megerles figurative Malereien auf inszenierten Fotografien, die sie von Modellen anfertigt und anschließend neu arrangiert. Ihre Figuren suggerieren eine konkrete Identität, die sich dem Zugriff aber zugleich entzieht. Das Personal ihrer Bilder besteht aus androgynen Figuren, weiblichen Dandys oder Heranwachsenden, aufgestellt wie auf einer Bühne oder im Moment der Performance eingefroren. Sie alle wecken Erinnerungen an alltägliche Posen und Moden, befinden sich aber in ihrer eigenen sozialen Realität. Charaktere werden angedeutet, aber nicht ausgeführt, die Subjekte bleiben rätselhaft, ihre Porträts schön, aber teilnahmslos, zu distanziert, um ihnen wirklich nahe zu kommen.

Auch Enrico Davids Arbeiten konkretisieren sich auf der Grenze zwischen dem schönen Schein und der Fremdheit des Unterbewussten. In seinen Bildern und Skulpturen herrschen Figuren vor, die diese Ambivalenz in verschiedenen Rollen und Modellen verkörpern. Zuweilen wirken sie karnevalesk, aber weniger lustig als vielmehr grotesk und wütend. Sie sind Gestalten einer surrealen Welt, in der Ängste, Schrecken oder Gewalt – das ganze Unbehagen des Zivilisatorischen – zum Ausdruck kommen und die Stabilität des Subjekts irritieren. Selbst im Dekor steckt der Konflikt und der Eleganz folgt die Hässlichkeit auf den Fuß.

In ihrem Film „Ben“ skizziert die britische Künstlerin Emily Wardill einen filmischen Raum des Unterbewussten, in dem Erzählung und Protagonisten ebenso fragmentarisch wie unbestimmt bleiben. Stimmen wechseln sich ab, während exzentrisch kostümierte Personen als Probanden an einer Hypnose teilnehmen. Den Ton zum Film spricht der Hypnotiseur mit sonorem Klang im Wechsel mit einer Mädchenstimme, die schleppend eine psychologische Studie über einen unbekannten Mann (Ben) vorliest. Wie schon in anderen Arbeiten Wardills wird das Verhältnis von Sprache und Bild bis an die Grenzen ausgelotet. Stimmen wie Kulisse sind die wackeligen Bestandteile eines Plots, der im nächsten Moment zu kippen droht.

Text und Sprache spielen in der künstlerischen Praxis von Josef Strau eine ebenso wichtige Rolle. Seine Texte verhandeln die Bedingungen seiner Arbeit und experimentieren mit Formen kulturellen Ausdrucks, die die Figur des Autors als Subjekt ins Spiel bringen. Dabei bezieht Strau die von ihm verfassten Texte immer direkt in seine Bilder und Installationen mit ein oder verteilt sie als Poster zum Mitnehmen. Alphabete, Akronyme oder die Anfangsbuchstaben des eigenen Namens werden gegenständlich oder räumlich umgesetzt. Seit einiger Zeit beschäftigt er sich zudem mit der Idee des „automatischen Schreibens“ als möglichst „authentische“ und unbeeinflusste Umsetzung innerer Zustände.

Sich in der künstlerischen Praxis selbst zu inszenieren und auszutesten verdeutlicht sich in den Arbeiten von Michele Di Menna in absoluter Konsequenz. Performances, Texte, Collagen, Kostüme, Objekte, Videos und Sound umkreisen sich in einem einzigen Projekt und bilden den prozessualen Raum, in dem die Künstlerin agiert. Ihr Interesse gilt häufig Materialien, die sie aus ihrem ursprünglichen Kontext löst und neuen Bestimmungen zuführt. Ganz aktuell widmet sie sich fluiden Substanzen und Formen, die sich selbst in einem konstanten Prozess der Transformation befinden, wie Wasser oder Schlamm, und die sie performativ mit neuen Bildern und Erzählungen verbindet.

In ganz anderer Form ist das Moment des Ephemeren und Transformativen in den Arbeiten von Nick Mauss präsent. Seine Zeichnungen und Skulpturen wirken skizzenhaft, sensibel und fragil. Motive sind nur angedeutet und entwerfen eine poetische Ahnung von Erinnerung und Einfluss. Der Künstler entzieht sich jeglicher Definition und Kategorisierung, vielmehr betont er das Fragmentarische und Flüchtige seiner Arbeit: Zeichnungen werden angefangen, vergessen und als gefundenes Segment an andere Stelle wieder eingesetzt. So befinden sich die Arbeiten in einem kontinuierlichen Prozess, in dem Leerstellen auf etwas Entferntes oder noch ins Bild zu Setzendes verweisen.

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Ausstellungsansicht A Different Person, Badischer Kunstverein, 2011

Michele Di Menna & Sol Calero, ohne Titel (Kostüm), Kollaboration mit Sol Calero, 2011
Baumwolle und Köder

Michele Di Menna, ohne Titel, 2011
Gefundenes Papier, s/w-Kopie auf Papier, 42 x 30 cm
Courtesy die Künstlerin und Galerie Kamm, Berlin
Foto: Stephan Baumann, bild_raum

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Ausstellungsansicht, A Different Person, Badischer Kunstverein, 2011
Foto: Stephan Baumann, bild_raum

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Enrico David, Ohne Titel / Untitled (Design for Personified Plugging Gridlock with Aggregates), 2007
Ausstellungsansicht, Badischer Kunstverein, 2011
Gouache auf Papier, in zwei Teilen, je 240 x 240 cm
Courtesy der Künstler & Michael Werner Gallery, New York
Foto: Stephan Baumann, bild_raum