Pressemitteilung


21.6. - 1.9.2024
Mittwoch, 19.6.2024, 11 Uhr
Donnerstag, 20.6.2024, 19 Uhr

Ausstellung

Katrin Mayer

#c0da comptoir #fanny carolsruh

Katrin Mayer (*1974) zeigt ihr aktuelles Kunst- und Forschungsprojekt c0da, das die weibliche Geschichte der Computerprogrammierung und des Schreibens thematisiert und vielschichtig in eine Beziehung zur Technologie- und Fächerstadt Karlsruhe setzt. Mayer entwirft in ihrer ortsspezifischen Praxis feministische Korrektive bestehender Geschichtsschreibungen. So war die Technik der Programmierung gerade in ihren Anfängen eine weibliche Tätigkeit, die Namen und Errungenschaften der Frauen tauchen jedoch kaum auf.

c0da verwebt Erzählungen über so wegweisende Programmiererinnen wie Ada Lovelace, Grace Hopper, Jake Feinler oder Betty Snyder Holberton von den ENIAC 6 mit einer Herstory des Schreibens. Beginnend mit der l’écriture féminine und der Figur des zerologischen Subjekts (Julia Kristeva, Eva Meyer) bringt c0da die Schreibkonzepte in ein Spannungsverhältnis zu Künstlicher Intelligenz und neuen Schreibprogrammen wie Chat GPT.  
 
Katrin Mayer hat Künstler:innen, Theoretiker:innen, Kurator:innen und Autor:innen aus ihrem interdisziplinären Netzwerk eingeladen, diese Recherchen kollaborativ zu reflektieren und verschiedene Beiträge auf www.c0da.org zu veröffentlichen – einer fortlaufenden Plattform, die sie zusammen mit der Programmiererin und Grafikdesignerin Anna Cairns entwickelte.

Im Badischen Kunstverein wird c0da erstmals in einen Ausstellungsraum übersetzt und um eine weitere Erzählung ergänzt: Mayer entwirft eine spekulative Re-Lektüre der Schöpfungsgeschichte der Fächerstadt Karlsruhe, der zufolge der Markgraf Karl Wilhelm von einem Fächer träumte und seine Schloss- und Stadtanlage an diesem Motiv orientierte. Mayer nimmt den Fächer (Englisch: fan) beim Wort – fanny ist im britischen Englisch ein Slangausdruck für Vulva. Zudem war der Fächer im 18. und 19. Jahrhundert ein telegrafisches Tool, das zur Grundausstattung des weiblich codierten Körpers gehörte und in Literatur und Kunst als ein Instrument emanzipativ-subversiver Kommunikation inszeniert wurde.
 
Um die Materialanordnungen aus Mayers aktueller, ortspezifischer Recherche und die seit 2001 entstandenen c0da-Beiträge in den Räumen des Kunstvereins narrativ und formal miteinander in Zusammenhang zu setzen, entwirft die Künstlerin spezifische Wand-Strukturen, die über ihre Zeigefunktion hinaus selbst zum Ausdruck eines durch sie verhandelten Wissens werden: Das Display assoziiert Code-Linien und verweist zudem auf das in der Renaissance entstandene Konzept, die Tätigkeit des Rechnens (lat. computare) auf einen eigenen Raum, das so genannte Kontor (frz. comptoir), zu konzentrieren. Hier beginnt die Geschichte des Büros, dessen Wandel Mayer bis in die Gegenwart reflektiert: Um 1860 treten mit der Schreibmaschine zunehmend Frauen in die Arbeitswelt ein und wurden als white collar girls marginalisiert. Heute ist das herkömmliche Büro vielfach obsolet und die Künstlerin bemerkte, dass in den zahlreichen Auflösungen immobiler Arbeitsorte oftmals Ausstattungsklassiker wie die so genannten Freiformschreibtische aussortiert werden. Diese Tische – in deren Form und Bauweise die arbeitenden Körper regelrecht eingeschrieben sind – werden in die Ausstellung integriert und manifestieren eine weitere Stufe des von Friedrich Kittler bereits in den 1990er Jahren imaginierten Endes der Schreibtischära.
 
#c0da comptoir #fanny carolsruh
zieht gebaute und gedankliche Linien zwischen weiblichen Technologiegeschichten und der eher männlich geprägten, technokratischen Fächerstadt Karlsruhe. Als weitere, kontextualisierende Ebene installiert Mayer einzelne, bereits bestehende Arbeiten im Status analoger, archivarischer Avatare.

c0da-Beitragende: Anna Cairns, Ann-Kathrin Eickhoff, Sophia Eisenhut, Jackie Grassmann & Sarah Lehnerer, Hanne Loreck, Jasmina Metwaly, Karolin Meunier, Eva Meyer, Luzie Meyer, Orphan Drift & Ido Radon, Sadie Plant, Romy Rüegger, Bea Schlingelhoff, Eske Schlüters, Andrea Scrima, Jana Seehusen, Stanton Taylor, Rebekka Willkens.

Die Ausstellung wird von einem Veranstaltungsprogramm und einer Publikation begleitet.
 
Kuratiert von Anja Casser
 

Katrin Mayer (*1974, Oberstdorf) lebt in Berlin und Düsseldorf.
Ihre installativen Arbeiten fügen Korrektive in bestehende Geschichtsschreibungen und die Selbstbetrachtung des jeweiligen Ortes ein.
Ausstellungen, u.A.: Kunsthalle Bielefeld (2023/2014), Kunsthalle Osnabrück (2021), Kunstsammlung NRW Düsseldorf (2020), Leipziger Kunstverein (2020), Lenbachhaus München (2020), Warschau Biennale (2019), Badischer Kunstverein Karlsruhe (2018/2009), Kunstverein Hamburg (2017), Kunsthalle Lingen (2016), European Kunsthalle @ chambre d‘amis Wien (2015), Ludlow38 MINI/Goethe-Institut New York (2014), Museum Abteiberg Mönchengladbach (2013).


Gefördert von der Baden-Württemberg Stiftung, der Kunststiftung NRW und der Rudolf Augstein Stiftung
 
c0da Recherche und Webseite wurden finanziert und begleitet vom Berliner Programm Künstlerische Forschung

Für weiteres Informations- und Bildmaterial wenden Sie sich bitte an
presse@badischer-kunstverein.de oder rufen Sie uns an unter 0721 28226.

21.6. - 1.9.2024
Mittwoch, 19.6.2024, 11 Uhr
Donnerstag, 20.6.2024, 19 Uhr

Ausstellung

Netta Weiser

Radio-Choreography: Acts of Transmission

Der Badische Kunstverein zeigt die erste Einzelausstellung von Netta Weiser (*1991) in Deutschland. Die Künstlerin arbeitet an der Schnittstelle von Choreografie, experimentellem Radio, Sound Art und Performance. Die performative Sound-Ausstellung Radio-Choreography: Acts of Transmission lädt die Besucher:innen ein, ihre Sinne zu re-kalibrieren und dem Tanz und den Erinnerungen des diasporischen Körpers zuzuhören.
 
Die Präsentation basiert auf Netta Weisers langfristiger künstlerischer Forschung Radio-Choreography, die 2019 in Zusammenarbeit mit einer internationalen Gruppe von Choreograf:innen, Forscher:innen, Sound- und Radiokünstler:innen initiiert wurde. Das Projekt erforscht die Transformation von Tanz in Klang, die Beziehungen zwischen Live-Radiosendungen und verstummten Geschichten sowie Akte des Zuhörens als Modi des Zusammenseins. Die früheren Phasen des Projekts untersuchten die öffentliche Sphäre des Radios als Archivraum und unsichtbare Bühne für den Tanz. Im Mittelpunkt stand die Gestaltung eines radiophonen Archivs von Tanzpraktiken, die von Choreografinnen in Zeiten von Migration und Grenzüberschreitung geschaffen wurden.
In der Kunstvereinsausstellung Radio-Choreography: Acts of Transmission erforscht Weiser den Körper als Archiv, als archäologischen Ort, und entfaltet dessen Fähigkeit eine Vielzahl von Zeitlichkeiten und Wissensformen zu umfassen. Sie fragt: Wie können wir den zum Schweigen gebrachten Geschichten zuhören, die wir in unseren Körpern tragen?
 
Im Zentrum der Ausstellung steht eine dreiteilige Klanginstallation, die die Übersetzung choreografischer Praxis in eine mehrkanalige Klangerfahrung untersucht. Diese Arbeit ist das Ergebnis verschiedener Formen der Zusammenarbeit: Ein Dialog mit der Choreografin Shira Eviatar führt zu einer klanglichen Neuinterpretation von Festtänzen, die sie von ihrer jüdisch-marokkanischen Großmutter geerbt hat. In Zusammenarbeit mit der Forscherin und Sängerin Vanessa Paloma Elbaz von der Universität Cambridge wird eine Sammlung von Archivaufnahmen von Fruchtbarkeitssegnungen in jüdisch-arabischer Sprache zum Leben erweckt. Eine Kollaboration mit der ägyptischen Choreografin, Performerin und Schriftstellerin Nora Amin führt zur Entwicklung einer choreografisch-poetischen Schreibmethode, die somatische Praxis mit dem kollektiven Schreiben von biografischen Körpererinnerungen verbindet.
 
Während der Dauer der Ausstellung wird die Installation durch eine Reihe von performativen Interventionen, Live-Radiosendungen, Workshops und Listening Acts aktiviert. Dabei spielt die Ausweitung des Projektes vom Ausstellungsraum in den öffentlichen Raum eine wichtige Rolle. Einige der Veranstaltungen finden direkt im Stadtraum von Karlsruhe statt, wie unter anderem: Ein Public Listening Event der aus Athen übertragenen Radio (non)Conference, ein Workshop gemeinsam mit Studierenden der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe (HfG) und Live-Radiosendungen, die vom lokalen Radiosender Querfunk übertragen werden. Die Ausstellung beansprucht neue Resonanzräume für vergangene Tanz- und Heilungspraktiken, sucht nach Frequenzen für kollaboratives Überleben und schreibt die Geschichte weiblicher jüdisch-muslimischer Solidarität neu.
 
Initiiert von Mira Hirtz, kuratiert von Anja Casser

In Zusammenarbeit mit Nora Amin, Vanessa Paloma Elbaz, Shira Eviatar, Giovanni Verga, Annett Hardegen.


Programm
:
1.6.2024
Radio (non)Conference#2_Athen, eine performative Radiokonferenz, die live aus Onassis Stegi Athen über Stegi Radio und reboot.fm gesendet wird

22.6.2024
Radio-Choreography Künstler:innen-Gespräch, live gesendet aus dem Badischen Kunstverein auf Querfunk Freies Radio Karlsruhe.

3.–8.7.2024
Performative Aktionen in der Ausstellung, u.a.: Performances, Hörworkshops, Filmvorführungen, Radioveranstaltungen und Gespräche. Mit und von Vanessa Paloma Elbaz, Shira Eviatar, Myriam van Imschoot, Anissa Rouas  und Netta Weiser.


Netta Weiser (*1991) ist eine in Berlin lebende Choreografin, Künstlerin und Forscherin, die in den Bereichen Performance, Sound Installation und Radiokunst arbeitet. Sie wurde als Tänzerin ausgebildet und erhielt einen Master-Abschluss in Interdisziplinärer Kunst von der Universität Tel Aviv.
Ihre Arbeiten wurden international präsentiert, zuletzt an der Akademie der Künste, Kunst Werke, Tanzquartier Wien, Onassis Stegi Athen, WDR, Villa Medici Rom, Tanznacht Berlin, Diver Festival for Contemporary Dance Tel Aviv, TONSPUR Micro Museum for Sound im MQ Wien. Außerdem unterrichtet sie regelmäßig am Klangzeitort Institut für Neue Musik Berlin und an der Universität der Künste Berlin.


Das Programm wird in Zusammenarbeit mit Querfunk Freies Radio Karlsruhe, reboot.fm und der Hochschule für Gestaltung, Karlsruhe, durchgeführt.
Unterstützt durch die UNESCO City of Media Arts Karlsruhe und Artis.

Für weiteres Informations- und Bildmaterial wenden Sie sich bitte an
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